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November 11, 2011

vertrauensvoll demokratisch

 
Inzwischen habe selbst ich fast die Schnauze voll, von all den Nachrichten über Märkte, Politik, Finanzen, Krisen, drohender Rezession, drohender Pleiten, vermeintlicher sozialen Ungerechtigkeit, Rating Agenturen, BIP, Verlangsamung des Wachstums, technische Korrekturen der Kurse, Prognosen, Modelle, Optionen, Aussichten, Gipfel, usw. Ich, der ja auf eine irgendwie komische Weise fasziniert bin, von diesen Märkten. Auf eine vielleicht perverse, masochistische Weise. Ich, der findet die Märkte sind absolut genial, wenn sie endlich die Italiener dazu zwingen, ihren Berlusconi loszuwerden. Ich, habe die Schnauze fast voll... Was sollen dann erst die Griechen fühlen, zur Zeit? Die Griechen, die im Gegensatz zu den Italienern noch eine politische Klasse von einigermassen vernünftigen Menschen haben. Die, bestimmt, ein etwas veraltetes Verständnis von Staat haben, aber immerhin noch ein Verständnis dafür.

Leider freu ich mich nicht nur darüber, dass Berlusconi jetzt gehen muss. Denn ich weiss weshalb er erst jetzt gehen muss: Die Märkte lassen so ziemlich alles durchgehen, niemals aber mangelnde Vertrauenswürdigkeit. Berlusconi kann man nicht mehr vertrauen und das hat ihm den Kragen gekostet. Aber wieso erst jetzt? Ich meine: Er ist doch schon seit einer ganzen Weile unglaubwürdig, in der Welt ausserhalb Italiens. Wieso also haben die Märkte nicht vorher reagiert? Weil er immer noch nach Geld roch, der Cavaliere. Und Geld stinkt bekanntlich nicht. Ohne Gheddafi ist er eh viele Milliarden weniger wert, der Cavaliere. Dass Italien inzwischen Lichtjahre davon entfernt ist, eine Demokratie zu sein, hat die Märkte nie allzu sehr gestört. Ja, man glaubt es kaum, aber mitten in Europa hat sich ein Land von der Demokratie verabschiedet, schon lange bevor es Ungarn tat. Ein Beispiel? Der Angriff, den Berlusconi vor dem Europa Parlament gegen den Abgeordneten Schulz geschwafelt hat? Diese unerträgliche Quängelei, als er sich zu entschuldigen weigert, er der mit Humor gesprochen hat. Er, der sich nicht entschuldigen wird, solange Schulz sich nicht beim ihm entschuldigt. Schulz, der nicht mit Humor sondern ganz ganz böse persönlich geworden ist! Und ich, Berlusconi in Person, sollte mich dafür entschuldigen, ihn als Leiter eines KZs vorgeschlagen haben? Niemals! Nun, diese Bilder, diesen völligen fassungslosen Berlusconi haben die Italiener niemals am Bildschirm zu sehen bekommen! Jawohl: Kein Fernsehsender in Italien hat sich je getraut, die komplette Szene auszustrahlen! In einer Demokratie!

Ja, vielleicht habe ich deswegen die Schnauze fast voll. Weil ich weiss, es kann noch alles viel schlimmer kommen. Ich meine: Es könnte ja zum Beispiel geschehen, dass die Agentur Standard & Poor's Frankreich herabstuft. Und sie könnte unmittelbar danach behaupten, es handle sich dabei um nichts als eine technische Panne. Ja, ich weiss... Sowas ist pure Fantasie, so ein Witz kann nie und nimmer in der Realität geschehen. Ich weiss, ich weiss: Ich male immer alles nur schwarz. Und viel zu wenig weiss. Denn: Was weiss ich denn schon? Sollte es aber jemals zu einer so unglaublichen Geschichte kommen, in der realen Welt meine ich jetzt, dann hoffe ich wirklich sehr, dass Sarkozy ein paar Leute in die Eier treten wird. Ich könnte fast dafür die Hand ins Feuer legen, dass er dabei sogar auf die demokratische Unterstützung von 99% der Frankreicher, ja sogar der Europäer zählen könnte.

Oder vielleicht habe ich die Schnauze fast voll, weil ich die Ökonomen reden höre. Ja, ich höre sie sagen "Also unsere Modelle zeigen ganz genau, dass in der Schweiz dies und jenes geschehen wird. Es ist also völlig absurd so zu argumentieren, wie Sie es gerade tun, mein werter Kollege!" Da kommt mir gerade ein Versicherungs-Angestellter in den Sinn, der Policen nach dem Alphabet ordnet. Doch dies ist wohl eine andere Geschichte. Zurück zu den Ökonomen: Ihre Modelle haben ja auch bestens funktioniert, seit der Jahrtausend-Wende. Oder so...

Vielleicht aber habe ich die Schnauze fast voll, weil ich die selben Menschen sagen höre "Es wäre schon ein wenig kurz gegriffen, wenn man die Ursachen für die aktuelle Lage in der Banken- und Schulden-Krisen suchen würde. Ich möchte daran erinnern, dass es eine Immobilien-Blase in den Staaten gab, vor langer langer Zeit, und ich möchte daran erinnern, dass billiges Hauseigentum für jedermann einem genauen politischen Willen entsprach!" Genau... Doch, dass man der Politik einen solchen Willen sehr schwer hätte büssen lassen, dass eine solche Schnaps-Idee ernsthafte Folgen haben müsse, dieser Wille kam von anderswo. Dass man eine solche reaktionäre Idee der ganzen Welt als "AAA" Papiere verkaufen würde, nein, nicht die Idee, sondern irgendwelchen Müll in einer Verpackung mit dem Foto der Idee und eben den Stempel "AAA" drauf, dieser Wille wurde auch demokratisch geboren. Oder so...

Oder vielleicht habe ich die Schnauze fast voll, weil ich eine viel zu gute Erinnerung zu haben scheine. Ohne jegliche Recherche, ohne einmal Google benutzt zu haben, kommen mir, einem Typ der nichts als Schulden besitzt, aus dem Stegreif zum Beispiel Enron und eine DotCom-Blase in Sinn, und erst dann eine US-Hypothekar-Krise. Dann schiessen mir Goldman Sachs und die Bush Regierung durch den Kopf. Moment... Da kommt mir noch was in den Sinn: Michael Moore. Was hat der jetzt damit zu tun? Und Zeitgeist kommt mir auch gerade in den Sinn. Aber was weiss ich denn schon? Wenn ich etwas recherchieren würde, anstatt dumme Behauptungen zu machen, würde ich eine Ahnung für die Komplexität der Sache bekommen, und verstehen dass einfache Erklärungen völlig kurz gegriffen und somit deplatziert sind, in dieser Angelegenheit.

Doch die Wissenschaft wusste schon: Ein Euro ohne Ausstiegs-Möglichkeit, ohne Plan für die Krise, ist eine Fehl-Konstruktion. Ich frage mich einfach wo diese Wissenschaftler versteckt hielten, während den letzten 20 Jahren. Einige von ihnen waren damit beschäftigt, die demokratisch gewählten Regierungen Europas zu beraten. Für teures Geld. Doch die Politik wollte partout nicht so was hören, damals... sagen sie uns heute. Und wie wir inzwischen wissen: Die Märkte, die Regeln ja alles. Früher oder später. Auf die eine Art oder die andere. Oder so...

Ich frage mich gerade ob ein Ende mit Schrecken nicht besser ist, in gewissen Fälle, als ein Schrecken ohne Ende. Die Frage heute ist: Wie Gross wäre der Schrecken eines Ende mit Schrecken? Davor haben alle einen riesen Schreck! Das Undenkbare würde passieren! Und gerade frage ich mich: Darf man solche Fragen überhaupt noch stellen? Oder schade ich mit der blossen Idee den Märkten? Und somit der demokratischen Gesellschaft? Bin ich Überträger eines gefährlichen Gedankenguts? Eines Virus?

Was auch immer ich sein mag: Die Politiker, die müssen weitermachen. Demokratisch. Von Gipfel zu Gipfel. Von Krise zu Krise. Solange die das Aushalten können. Die EU warnte: "Der neuen Regierung in Griechenland steht eine wahnsinnig hohe Arbeits-Belastung vor". Nein... Das Wort "wahnsinnig" wird wohl nicht im Kommuniqué der EU vorgekommen sein. Aber irgendwie sinngemäss ging das schon. Denn die EU-Politiker schaffen seit einigen Monaten fast Unmenschliches. Wenn sie dann irgendwann umfallen, wenn sie "versagen", werden sie ja demokratisch ausgetauscht. Damit die Märkte ja nicht darunter zu leiden haben. Das will ja wirklich niemand, oder? Oder etwa so?

Ich glaube wirklich nicht wirtschafts-feindlich zu sein. Oder verlange ich schon zu viel von den Märkten, wenn ich die Frage stellen möchte, was für eine Wirtschaft wir überhaupt wollen? Letztlich definierte ein Banker in etwa auf diese Weise eine sozial-nützliche Finanz "Der Sparer und der Markt werden zusammengebracht". Genau: Er sagte "der Sparer". Der Sparer... Nicht der, der sich Geld leiht, um mit dem geliehenen Geld Profit zu machen. Nein. Der Sparer. So einfach. Doch nun, nun, gibt es den Sparer gar nicht mehr. "Wir haben alle über unsere Verhältnisse gelebt". Die Schulden sind in 10 Jahren von so was wie 70'000 Milliarden auf unglaubliche 210'000 und mehr Milliarden gewachsen. In 10 Jahren! Ganz demokratisch. Vertrauensvoll. Wofür wurde das Geld über eingesetzt, ausser Krieg, Terrorismus-Bekämpfung und -Erzäugung, Wirtschafts-Förderung? Und wie viele Tausend Milliarden horten gerade Schweizer Unternehmen, in vertrauensvollem Warten auf bessere Zeiten? Aber zum Glück sind wir durch gerade durch ein Wirtschafts-Hoch, nicht wahr? Zum Glück sind, trotz Schulden überall, wenigstens alle Sozial-Werke Europas in bester Gesundheit! Zum Glück... Angela Merkel kann die Mittel-Schicht um ganze 2 Milliarden Euro dieses Jahr und, man staunt, unglaubliche 4 Milliarden Euro das nächste Jahr entlasten. Ja! Sie schenkt dem Volk das Geld, einfach so! Weil... Was sagte sie, weshalb sie so unwahrscheinlich viel Geld auf einmal verschenken kann?

Während sich die Politiker der EU und USA um ihre Staatskassen kümmern müssen, haben unsere Politiker in der Schweiz das Glück keine Schulden zu haben. Deswegen müssen sie sich nicht um die Finanz kümmern. Das Problem von Geld-Wäscherei wurde mit grossem medialen Echo schon vor Jahren als gelöst erklärt, bleibt also einzig das klitzekleine Problemchen mit den Steuern-Geldern von Griechenland und Kollegen. Denn, so viel sei einfach mal gesagt, nur 4 Fälle wurden von der Finma in Zusammenhang mit Geld-Wäscherei gemeldet. 4 Fälle von 20. Sozusagen 1 von 5. Und... Was will man da tun? Vereinzelte schwarze Schafe gibt es halt immer, so wie absolute Sicherheit nicht zu haben ist. 1 von 5. Der Finanzplatz Schweiz: Das ist 'ne saubere Sache. Whitewashed. Ernsthafte Menschen die ehrliche, ernsthafte Geschäfte machen. Genau.

Und ich habe fast die Schnauze voll, von all dem Vertrauen. Doch ich bin auch ein Optimist: Am Schluss, kann ich gar nicht anders als vertrauen. Und zwar in die Demokratie.
 
 

August 10, 2011

finance vs. politics

 
Erst heute morgen fragte ich wie es möglich sei, dass aus einer Finanz-Krise in relativ kurzer Zeit eine Staaten-Krise werden konnte. Später sah ich Michael Moore's Film "Capitalism: A Love Story", und er passte perfekt in den Tag (besonders wenn man bedenkt, dass ich gerade vor einigen Tagen einen Post wie "The Markets Are Waiting" geschrieben haben, noch ohne von Film und Thema zu wissen! Viel mehr gibt es dazu wohl nicht zu sagen, oder? Ausser, vielleicht, dass gerade in diesen Monaten das nächstes Kapitel oder der nächste Film geschrieben wird, und zwar weltweit.

Es ist ja nicht immer erfreulich, bei all den Problemen die wir schon haben, sich von Michael Moore immer und immer wieder einen Spiegel vors Gesicht setzen zu lassen, das ist wahr, und was er am Schluss vom Zuschauer verlangt, das ist ein ziemlicher Brocken — man soll ihn doch tatsächlich dabei helfen, die Demokratie wieder einzuführen! Doch es gibt Alternativen. Ich weiss nicht mehr in welcher Episode von South Park wird zum Beispiel die Methode "Kopf in den Sand" vorgestellt.

Szene aus South Park



Ich finde dies eine gute Methode, besonders in der Schweiz, wo sich Politik und Konzerne um das Wohlergehen der Menschen kümmern. Dass diese Methode jedoch auf langer Sicht nicht ziemlich ermüdend wirken könnte, kann ich nicht versprechen. Gerade in der Schweiz, wo wir es ja mit sehr viel kleineren Problemen zu tun haben als die Amerikaner, oder die Europäer, oder praktisch der ganze Rest der Welt! Hier könnte es etwas schwierig werden, den Sand für alle zu finden, da wir keine Wüsten haben. Doch dies ist eben eines unserer Luxus-Probleme. Seien wir froh drum! Denn unser Problem sind nicht ganze Quartiere mit Obdachlosen die vor den leeren Häusern in Trucks übernachten müssen... Wir versuchen alle Multis und viele Reiche aus der ganzen Welt zu uns zu locken und wundern uns dann, wenn der Immobilien-Markt eine Blase erfahren könnte, oder wenn der Export zum erliegen kommt wegen dem starken Franken. Nun interveniert wieder die National-Bank (diesmal ist vielleicht sogar die SVP mit dem Direktor zufrieden): es werden Milliarden auf den Markt geworfen. So weit, so gut. Wahr ist aber auch, dass diese Milliarden eigentlich in die Banken geworfen werden. Und was diese damit zu tun haben, sagt ihnen keiner. Keine "störende" Politik, die vielleicht die Investition in erneuerbaren Energien zu bevorzugen versucht. Oder die exportierende Unternehmen von der Steuer zu befreien versucht und diese Gelder als Entschädigung annimmt (auf dem Markt wär das Geld allemal). Es gibt sicher tausende Sachen mit denen Geld gemacht werden könnte und die mindestens so viel zur Schwächung des Franken beitragen könnten wie es nun die Banken tun werden. Denn was machen diese damit? Wer weiss das schon? Vielleicht werden sie sie sogar, zu einem Teil auf einen steigenden Franken wetten — weshalb sollten sie nicht, solange es Ertrag verspricht? Wer weiss das schon so genau? Und nicht zu vergessen: Hypotheken zu verteilen bleibt für die Banken eine sehr geschätze Art Geld zu verteilen, obwohl gerade die National-Bank schon seit langer Zeit vor einer Blase warnt. Freuen wir uns aber darüber, uns nur mit Luxus-Problemen rumschlagen zu müssen! Und wenn wir keine Touristen mehr haben, wenn es keine Export-Wirtschaft mehr gibt, dann werden wir alle im Finanz-Sektor eine Beschäftigung finden... Um dem Schweizer Franken steht es gerade so schlecht, dass sogar für den SP Präsident Christian Levrat "eine mägliche Rezession momentan das kleiner Übel wäre". Wenn man nun bedenkt, Rezession bedeutet am Schluss nichts anderes als "die Rechnung zahlt der Eidgenosse aus der eigenen Tasche", dann hat man in etwa eine Idee über die aktuelle Lage. Wie auch immer: Freuen wir uns darüber, nur Luxus-Probleme zu haben!


Autor unbekannt



Wem dies aber als eine zu anstrengende Methode erscheinen mag, der kann sich natürlich, wie ich heute morgen schrieb, für 8 Wochen Klapse entscheiden. Doch dies ist eine andere Geschichte, die eine junge Frau viel viel besser geschrieben hat...